Die Entstehung von Schleswig-Holstein und der deutsch-dänische Konflikt
Die Geschichte von Schleswig-Holstein ist nicht nur ein bedeutender Bestandteil der Kultur Norddeutschlands, sondern spielt auch innerhalb Europas eine wichtige Rolle. Mit einem Teil der Geschichte befasst sich dieser Aufsatz, er soll die wichtigsten Punkte der Geschichte von ca. 1830 bis 1920 zusammenfassen. Die Schleswig-Holsteinische-Frage ist schon viel älter. Bereits im Vertrag von Ripen von 1460 war der Satz „Up ewig ungedeelt“ (hochdeutsch: auf ewig ungeteilt) enthalten. Auch bei dieser Verhandlung im 15. Jahrundert ging es bereits um die Zusammengehörigkeit der Herzogtümer Schleswig und Holstein.
Eine historische Besonderheit bildet schon der Name des Doppelherzogtums Schleswig-Holsteins, für den man in der Geschichte drei verschiedene Schreibweisen findet. „Schleswigholstein“ wirkt so, als würde man die beiden Herzogtümer als eigenständigen Staat bezeichnen. Es schwingt der Wunsch mit als Einheit wahrgenommen zu werden und sieht über patriotische Gefühle gegenüber dem eigenen Herzogtum hinweg. „Schleswig und Holstein“ betont dagegen die Eigenständigkeit und die Unabhängigkeit der beiden Gebiete voneinander und „Schleswig-Holstein“ vermittelt eher den Eindruck zweier unabhängiger Herzogtümer, die jedoch ein festes Bündnis bilden.
Schleswig-Holstein um 1830
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden im deutschsprachigen Raum vermehrt die Rufe nach einem deutschen Nationalstaat nach französischem Vorbild laut. Man wünschte sich eine nationale Zugehörigkeit, ein Vaterland. Deutschland existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Statt dessen bildeten die Herzogtümer im Raum des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation den sogenannten Deutschen Bund.
Schauen wir zu dieser Zeit auf das Gebiet, was uns heute als Schleswig-Holstein bekannt ist, so müssen wir folgendes beachten: Zunächst bestand das Land, welches wir heute als Schleswig-Holstein kennen, damals noch aus den zwei unabhängigen Herzogtümern Schleswig und Holstein. Holstein, Mitglied im deutschen Bund, war ein deutsches Lehen, und wurde begrenzt durch Elbe und Nordsee im Süd-Westen, außerdem durch die Herzogtümer Lauenburg und Lübeck sowie die Stadt Hamburg und natürlich die Ostsee im Südosten. Die nördliche Grenze zu Schleswig bildete die Eider. Schleswig, dänisches Lehen, hatte dagegen nur zwei Landesgrenzen; zu Holstein im Süden und nach Norden, auf Höhe der Königsau (dänisch Kongeå, Fluß etwas südlich von Esbjerg und Kolding) zum Dänischen Königreich.
Auch in diesen beiden Herzogtümern, die gemeinsam dem dänischen König unterstanden, musste man sich damals zwangsweise mit der Frage nach der Nationalität befassen. In Holstein, welches – wie gesagt – Mitglied im deutschen Bund war, und noch dazu sehr stolz auf seine deutsche Sprache und Kultur, war die Sache klar. Es kam ausschließlich die deutsche Nationalität in Frage. Schleswig dagegen war geteilter Meinung. Der Norden, dänischsprachig, und kulturell an Dänemark gebunden, zog die Dänische Nationalität vor. Der Süden, fühlte sich durch die geografische Nähe dagegen zumeist zu Deutschland zugehörig. Für die deutschsprachige Mehrheit stand jedoch eines fest: unabhängig von der Nationalität gehörten Schleswig und Holstein (zumindest wirtschaftlich) zusammen wie Speck und Zwiebeln. Im Zusammenhang mit diesen Konflikt ist auch das Schleswig-Holstein Lied zu sehen, welches erstmals 1844 in Schleswig aufgeführt wurde. Besonders Stark kommt dieser Konflikt in der dritten Strophe zum Ausdruck:
„Doch wenn inn‘re Stürme wüten,
Drohend sich der Nord erhebt,
Schütze Gott die holden Blüten,
Die ein milder Süd belebt!
Schleswig-Holstein stammverwandt,
Stehe fest mein Vaterland!“Quelle: Dritte Strophe des Schleswig-Holstein Lieds, Matthäus Chemnitz 1844
Schleswig-Holsteiner erheben sich
Dieser Konflikt um die Nationalität Schleswig-Holsteins kam 1848 zu einem Eklat, der einen Revolutionsversuch nach sich zog. Der dänische König beschloss zu diesem Zeitpunkt, das vorherrschende Lehensverhältnis aufzulösen und Schleswig als teil Dänemarks dem dänischen Königshaus zu unterstellen. Dies rief vielleicht Jubel in einigen Teilen Nordschleswigs hervor, stieß jedoch in weiten Teilen des Landes auf Missfallen, besonders, weil man eine Staatsgrenze innerhalb des wirtschaftlich und kulturell zusammengehörigen Schleswig-Holsteins als störend empfand.
Da man besonders in Südschleswig und Holstein diese Eingliederung unter die dänische Krone verhindern wollte, gründete man am 24.März 1848 eine sogenannte provisorische Regierung, indem der König auf Grund des Interessenkonflikts für „Unfrei“ und nicht länger regierungsfähig erklärt wurde. Diese Regierung sollte nicht nur die Eingliederung Schleswigs in das dänische Königreich verhindern, sondern auch eine Verfassung für Schleswig-Holstein erarbeiten.
Leider war die provisorische Regierung der dänischen militärisch keinesfalls gewachsen. Erst mit der Hilfe preußischer Truppen, welche Holstein in seiner Not beim deutschen Bund angefordert hatte, gelang es, die Dänen bis an die Königsau (dänisch Kongeå) zurück zu drängen. Dieser Vorstoß gefiel den Großmächten Europas jedoch nicht. Preußen wurde unter Druck gesetzt und gab nach, einem Waffenstillstand mit Dänemark zuzustimmen. Auf Grund dessen kam es vielerorts zu Aufständen, die provisorische Regierung musste kurzzeitig zurücktreten.
Die Aufstände und Unruhen sorgten dafür, das der Friedensvertrag kaum zum tragen kam, bereits im nächsten Frühjahr brandeten die alten Kämpfe wieder auf. Die Zeiten waren turbulent, zeitweise ging es drunter und drüber, bis Preußen sich am 2. Juli 1850 wieder gezwungen sah, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Gegen Proteste, und Versuche diesen wieder auszuhebeln ging Dänemark mit großer Entschiedenheit und aller Härte vor, bis die Ursprüngliche dänische Regierungsautorität wieder hergestellt war.
Obwohl vertraglich die Erhaltung der Zweisprachigkeit gesichert sein sollte, missachtete Dänemark dies, und begann durch ein Verbot der deutschen Sprache an Schulen und im Gottesdienst, mit der Danisierung von Süd- und Mittelschleswig.
Schleswig-Holstein wird Preußisch (1862-1867)
1862 wurde der bekannte Reichskanzler Otto von Bismarck zunächst zum Preußischen Ministerpräsidenten ernannt. Für Schleswig-Holstein war dies von besonderer Bedeutung, weil Preußen zusammen mit Österreich damals immer noch das Holsteiner Militär stellte. Besonders in Südschleswig machte sich damals Unzufriedenheit in vielen Bevölkerungskreisen bereit, da man nicht zufrieden damit war, wie von dänischer Seite der jüngste Friedensvertrag (1848 Londoner Protokoll) auslegt und umsetzt wurde. Den Holsteinern dagegen missfiel besonders, dass innerhalb ihres geliebten Schleswigholsteins an der Eider eine harte Staatsgrenze entstehen würde, welche die wirtschaftliche Verbundenheit von Schleswig und Holstein gefährdet könnte.
Da es die Inbesitznahme von Schleswig durch Dänemark auf jeden Fall zu verhindern galt entschloss man sich 1864 wieder gegen Dänemark in den Krieg zu ziehen. Dieser Krieg wird heute der 1. Reichseinigungskrieg genannt. Die vereinten preußischen und österreichischen Truppen schlugen die Dänen bis zur Königsau zurück. Doch bald kam es zwischen Preußen und Österreich zu Streitigkeiten über die Verwaltung. Es gelang dem preußischen Ministerpräsidenten Anlass für eine militärische Auseinandersetzung mit Österreich zu finden. 1866 entschied Preußen diesen Krieg, den sogenannten 2. Reichseinigungskrieg für sich. Dadurch wurde der Deutsche Bund überflüssig, – er war ja gerade für die Deutsche Zusammenarbeit mit Teilen Österreichs entstanden – und löste sich auf. Preußen, welches durch den Sieg ab 1867 die Alleinherrschaft über Schleswig-Holstein inne hatte, gründete einen neuen, den Norddeutschen Bund.
Nach der Niederlage Österreichs gegenüber Preußen änderte sich in Schleswig-Holstein einiges. Am 12.1.1867 waren Schleswig und Holstein preußische Provinz geworden. Die beiden Herzogtümer wurden jetzt zwar wieder von einem einzigen Landesherrn regiert, dieser war jedoch von deutscher Kultur. In Holstein und Südschleswig stellte dies weniger ein Problem dar. Auch wenn die meisten Einwohner zunächst negativ gegenüber die preußische Herrschaft gestimmt waren, änderte sich die mehrheitliche Meinung aus mehreren Gründen schnell: zum Einen kämpften Schleswig-Holsteiner an der Seite von Preußen um 1870 für den deutschen Bund, wobei es gelang Frankreich zu besiegen, und ein Gefühl der Verbundenheit kam auf. Andererseits profitierten die Regionen wirtschaftlich. Preußen verlegte beispielsweise seinen Hauptmilitärhafen nach Kiel, baute aber auch die Infrastruktur weiter aus. Sie sorgten für Ausbildungsmöglichkeiten in Form von Schulen, und führten eine Verwaltungsreform durch.
Als Problem stellte sich jedoch die Preußifizierung Nordschleswigs heraus. Zum einen stieß der kulturelle Druck, den die Regierung vor allem durch das verbieten von Dänischer Sprache sowie dem Danebrog (Dänische Flagge) aufbaute, auf massiven Widerstand. Andererseits sahen es Nordschleswiger nicht ein, für Deutschland gegen Frankreich in den Krieg zu ziehen und mussten dazu gezwungen werden. Hinzu kam, dass Protest sehr scharf von der Regierung geahndet wurde, in den meisten Fällen durch sofortige Ausweisung der Unruhestifter.
Doppeleichen als Zeichen der Unteilbarkeit von Schlewsig-Holstein
Geschichtlich bedeutsam ist die Eiche für Schleswig-Holstein. Ende des 19. Jahunderts wurden an vielen Stellen in Schleswig-Holstein „Doppeleichen“ gepflanzt. Diese Bäume mit zwei Stämmen und einer Krone können nicht ohne größeren Schaden getrennt werden. Das soll als Symbol für die Zusammengehörigkeit der beiden Landesteile gelten.
Schleswiger Volksabstimmung 1920
Nach der Niederlage Deutschlands im ersten Weltkrieg, nachdem der Kaiser abgedankt hatte (bzw. abgedankt worden war), kam es ab 1919 in Versailles zu Friedensverhandlungen. In diesen sollte man auf Drängen des US-Präsidenten Wilson auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker achten. Sensible Lösungen unter Einbeziehung des Volkes wurden favorisiert, wo es um die Gestaltung der neuen Staatsgrenzen ging.
Doch was bedeutete das für Schleswig-Holstein?
Im Rahmen des Versailler Vertrags wurden für die Grenzgestaltung zu Dänemark laute Stimmen berücksichtigt, die sich für eine Volksabstimmung aussprachen. Zu dieser Wahl sollte in Schleswig-Holstein erstmals jeder, unabhängig von Stand oder Geschlecht (also auch Frauen) eine Stimme abgeben. Der Versailler Vertrag gab das Abstimmungsverfahren genau vor. Zunächst wurden zwei Abstimmungszonen festgelegt, in denen unterschiedliche Verfahren Anwendung finden sollten:
- Nordschleswig bis zur heutigen Staatsgrenze zu Dänemark bildete Zone 1
- die zweite Zone bildete Mittelschleswig, von der heutigen Grenze bis auf etwa Höhe von Föhr, wobei sie zur Ostsee hin bis nach Flensburg abknickte.
In Zone 1 wurde am 10. Februar 1920 abgestimmt, und zwar „en Block“ was bedeutete, dass Abweichungen von der Mehrheitsmeinung nicht Gemeindeweise berücksichtigt werden konnten. In dieser Abstimmung stimmten 74,9% der Bevölkerung für Dänemark, damit wurde die Gesamte Zone 1 zu dänischem Hoheitsgebiet.
Dagegen konnte in Zone 2 jede Gemeinde, die auf der Grenze zu Zone 1 lag individuell für eine der beiden Nationalitäten entscheiden. Die Abstimmung fand in diesem Bereich am 14. Februar 1920 statt. Man entschied sich mit 80,2% für Deutschland.
Damit war die Sache klargestellt, und eine sehr solide Grenze geschaffen, die als einzige Grenze außerhalb den Römischen Reiches deutscher Nation auch die nächsten 100 Jahre bestand haben sollte. Natürlich gab es jedoch gebietsweise auch Minderheiten, die sich auf der falschen Seite der Grenze wähnten, und zum Beispiel durch die „en Block“ Methode nicht berücksichtigt werden konnten. Diese waren unzufrieden, und versuchten durch Proteste eine Neuwahl zu erreichen. Sie blieben unerhört, und so entstanden auf beiden Seiten der Grenze Minderheiten. Diese gründeten auf beiden Seiten der Grenze Minderheitsparteien, wie den Südschleswigschen Wählerverband, die bis heute ins Landesparlament gewählt werden.
Ich freue mich an dieser Stelle Auszüge einer Schülerarbeit veröffentlichen zu dürfen, die 2021 von Li Siems an der Waldorfschule in Ostholstein geschrieben wurde.