Weltunkrauttag

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Unkraut
Es gibt wohl wenig, für das nicht von irgendjemandem ein Welttag ausgewählt wurde. Hier an der Ostsee haben wir den Weltfischbrötchentag immer irgendwann Anfang Mai.

Wie der Weltfischbrötchentag gehört auch der Weltunkrauttag aus meiner Sicht zu den sinnvolleren unter den zahllosen Tagen zu Ehren von was auch immer. Es gibt für den 28. März als Ehrentag des Unkrauts mehrere Quellen.

Der Ehrentag des Unkrauts wurde 2003 durch Garten-Blogger in den USA ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, dass nicht jedes Unkraut im Garten unnütz ist. Quelle

Selbstverständlich ist Unkraut im eigentlichen Sinne der Definition jede Pflanze, die die angebaute Kultur durch die reine Existenz am wachsen hindert. Egal ob Misch- oder Monokultuir: der Ertrag pro Flächeneinheit geht entsprechend zurück. Für jemanden, der Lebensmittel oder andere Nutzpflanzen anbaut und von den Erträgen lebt, ist Unkraut definitiv nicht erwünscht und bedeutet Arbeitsaufwand. Der Unterschied zwischen ökologischer oder chemischer Wirtschaftsweise besteht nur in der Auswahl der Mittel.

Es sind aber nicht alle Flächen landwirtschaftliche Nutzflächen. Der Weltunkrauttag darf gerne darauf aufmerksam machen, dass es Sinn ergibt über seine innere Einstellung zu allem auf dem ersten Blick störenden nachzudenken.

Auseinandersetzen statt Eliminieren

Die Welt ist offensichtlich offener geworden in den letzten Jahrzehnten. Vieles vermeintlich andersartige ist in der Gesellschaft angekommen und scheint akzeptiert. Das ist gut so. Leider erzeugt jeder Trend einen Gegentrend. Deshalb ist auf der anderen Seite in der gleichen Gesellschaft das genaue Gegenteil zu sehen. Da wird auf jede Auseinandersetzung verzichtet. Was stört muss weg, so schnell wie möglich. Ein Arzt sagte mir mal, dass Patienten enttäuscht seien, wenn er ihnen kein Medikament verschreibe. Abwarten und Tee trinken helfe zwar sehr häufig und sei besser für den Organismus. Das werde als ärztlicher Rat jedoch immer weniger akzeptiert.

Nach meiner Interpretation macht der Weltunkrauttag auch aufmerksam auf die Notwendigkeit die Welt differenziert zu betrachten. Häufig lohnt es sich genauer hinzusehen. Leider fehlt vielen Menschen dafür die Energie, weil sie denken dafür keine Zeit zu haben.

Ein Bauer wird kritisiert, der eine Feldspritze hat und damit Getreide spritzt. Dabei wird nicht differenziert, welche Präparate dieser Bauer einsetzt oder wie hochkomplex und fein justierbar diese konkrete Spritze dieses konkreten Bauern ist oder bei welchen Wetterbedingungen er oder sie spritzt. Für viele gilt ganz klar: Spritzen ist schlecht und grundsätzlich abzulehnen. Damit gehört der mit Chemie arbeitende industrielle Bauer zu den schlechten Menschen und der vermeintlich ökologisch wirtschaftende Biobauer zu den guten Menschen. Wie immer bei Schwarz-Weiß-Malerei ist diese Einteilung nach gut oder schlecht zu undifferenziert. Ich möchte damit keine Lanze für die industrielle Landwirtschaft brechen. Ich bevorzuge Lebensmittel aus ökologischem Anbau.

Ein biologisch-dynamisch arbeitender Bauer aus meinem Bekanntenkreis berichtete mir mal, dass er angefeindet wurde, weil er Präparate ausbrachte. Er täte wohl nur so als würde er nicht spritzen. Wie es seine Art ist, hat mein Freund versucht dem Zaungast den Unterschied zwischen Agrochemie und biologisch-dynamischen Präparaten zu erläutern. Mir ist nicht bekannt, ob die Message angekommen ist.

Die Grenzen der Selbstheilung

Ich trete für eine Welt ein, die der Selbstheilung mehr Vertrauen schenkt als den externen Interventionen. Diese Weltsicht bezieht sich nicht nur auf die Landwirtschaft sondern das komplette Leben. Nach meiner Auffassung sind die Hauptzutaten für dieses Weltbild Vertrauen und Geduld.

Selbstheilung hat natürlich Grenzen. Bei einer zerbrochenen Glasscheibe lohnt es sich nicht auf Heilung zu warten. Wenn aber diese Glasscheibe öfter zerbricht, darf man sich die Frage stellen, ob es an dieser Stelle richtig ist, Glas einzusetzen. Möglicherweise wird ein Hersteller von Glas dazu eine andere Ansicht haben. Wenn der Glashersteller nach heutiger Auffassung ein Vollprofi ist, wird er sich dafür einsetzen, dass der Einsatz von Glas Vorschrift wird.

Das Beispiel mit dem Glas ist im übertragenden Sinn zu verstehen. Natürlich gibt es verantwortungsbewusste Glaser, die ihre Kunden entsprechend beraten. Außerdem ist Glas nicht gleich Glas. Es gibt nicht nur unterschiedlich gefärbtes Glas sondern auch verschiedene Stärken, Bruchfestigkeiten und Bruchverhalten. Hier habe ich das Beispiel wegen des Vorurteils „Glas geht leicht kaputt“ gewählt. Die Glasbranche möge mir das nachsehen.

Es ist Leser::in überlassen für die Ausbildung seines oder ihres Weltbildes weitere Beispiele aus dem täglichen Leben zu formulieren. Nach meiner Auffassung braucht es häufig keine externen Eingriffe und es ist nicht alles notwendig nur weil es Vorschrift ist. Im Gegenteil scheinen viele Vorschriften durch professionelles Management von Beziehungen, Networking oder weitere Eskalationsstufen aus dem Korruptionsbereich zu entstehen.